Erstes Zwischenspiel | |
Ganz ohne Zweifel hat der ursprüngliche (unbekannte) Autor von 'Erwecken der höchsten Dimension des Lebens' ('Evangelium der Wahrheit')
die geschilderte intensive, fundamentale Weitung seines Bewußtseins
ganz persönlich erfahren, - und klar ist auch, daß er uns begeistern
will, die gleiche, aufrüttelnde, großartige Wahrnehmung ebenfalls zu
erleben. Die Botschaft berührt uns heute noch genauso wie
zu der Zeit, als der Autor seine Worte auf Papyrus niederlegte. Und
eindeutig ist auch, daß er nicht - GLAUBEN - an ein religiöses Dogma beschreibt, sondern eine unmittelbare Erfahrung, die ihn zutiefst bewegte.
| Passage 15 - eine 'Hymne an das Wort' – wurde ausgelassen, da ihr
andersartiger Stil und das völlig abweichende Thema zeigen, daß dies
von einem anderen Autoren stammt und zu späterem Zeitpunkt in den Text
eingesetzt wurde. Die 'Hymne' unterbricht Fluß und Schwung des
Erzählers, und so entschied ich mich, sie nicht in 'Erwecken der höchsten Dimension des Lebens' zu übernehmen.
Zwölf Passagen am Ende des ursprünglichen Textes wiederholen, was zuvor
ausführlich beschrieben war. Da mein Hauptanliegen ist, die
ursprüngliche Faszination des Textes wiederherzustellen, verzichtete
ich darauf, um den Leser nicht zu langweilen. Falls Interesse besteht,
stehen diese Passagen im Internet frei zur Verfügung.
| Nun stellt sich die Frage, wie all diese ursprünglichen Schilderungen
eines zentralen Erlebnisses, das der gesamten Menschheit Zugang zu
einer völlig neuen, fantastischen Dimension öffnet, schon in den ersten
Jahrhunderten so tiefgreifend entstellt werden konnten.
Wenige wissen, daß vom ersten und zweiten Jahrhundert nach
Christi Geburt fast keine schriftlichen Zeugnisse existieren. Gefunden
wurden lediglich kleine Fragmente und einzelne Seiten, die die
Ereignisse in Judäa vor 2000 Jahren beschreiben. Die ersten 39
zusammenhängenden Blätter – 'Papyrus 66' mit einem Großteil des
Johannesevangeliums – wurden erst um 200 n. Chr. niedergeschrieben. -
- Das sind 200 Jahre, in denen diese Episoden am Lagerfeuer
weitergegeben wurden, fast ohne handschriftliche Notizen, ohne
gedrucktes Material und auch ohne die Breitband Internet Information,
die wir heute für selbstverständlich halten.
Versetzen wir
diese Zeitspanne doch einmal in unsere Zeit: - Für wie zuverlässig
hielten wir denn Schilderungen von Ereignissen, die vor zwei
Jahrhunderten - ca. 1810 - geschahen, - wenn sie uns nur mündlich, ohne
jede weitere Dokumentation zugetragen werden.
Fast unbekannt
ist auch, daß die allererste Version der Bibel wie wir sie heute kennen
(Codex Sinaiticus and Codex Vaticanus), erst im Laufe des vierten
Jahrhunderts zusammengestellt wurde, - fast 300 Jahre, nachdem die
letzten Augenzeugen gestorben waren.
Schon allein das
Ablaufen von Zeit hat Einfluß darauf, wie ursprüngliche Ideen und
Ereignisse dargestellt werden, - schwerwiegende Eingriffe, wie die von
den orthodoxen, gleichschaltenden Organisatoren veranlaßte radikale
Auslöschung der gesamten expansiven, freien, ekstatischen Fraktion,
ließen dann von 180 n. Chr. an ganze Teile der eigentlichen Botschaft
im Nichts verschwinden.
Nehmen wir dazu die Versuche derer, die frustriert und beleidigt waren, weil sie nicht die innere Expansion erfuhren oder erfahren wollten,
die ihnen Freunde und Bekannte, und selbst einfache Leute, auf die sie
herabblickten, enthusiastisch beschrieben, - und die dann versuchten
derartige Botschaften zu unterdrücken, zu steuern und intellektuell
auszuhöhlen.
Weiterhin sind da noch die unvermeidlichen
Fehler beim Abschreiben der Texte, Mißverständnisse, abweichende
Versionen ein und desselben Ereignisses, bewußte Umgestaltungen
ursprünglicher Berichte, um persönliche Ambitionen durchzusetzen, -
unbequeme Personen aus Positionen zu drängen, - eigene Ideen zu
fördern, - Geld und Mittel einzufordern etc.
Und schließlich
war Lesen und Schreiben - bis Gutenberg im fünfzehnten Jahrhundert die
Druckerpresse erfand – nur einer extrem dünnen Gesellschaftsschicht
zugänglich, die bis zu dieser Zeit die Interpretation von Ideen für
sich monopolisierte und deren Verbreitung mit harter Hand
kontrollierte.
Alles in allem trafen viele Einflüsse zusammen, die die ursprüngliche Botschaft erheblich verzerrten.
Wären die Schriften von Nag Hammadi nicht gefunden worden, wären uns nur die offiziellen, entstellten Versionen bekannt.
| Eine zentrale Vorstellung, die es nicht bis in die heutige Zeit geschafft hat, ist die ursprüngliche Bedeutung von 'Auferstehung'.
Die frühen Christen sahen Auferstehung einfach als das 'Erwachen' der Seele, - so wie Buddha ebenfalls vom 'Erwecken' spricht, nicht von 'Erleuchtung'.
'Auferstehung'
erfahren die, die wahrnehmen, daß sie EINS sind mit dem Erhabenen
Bewußtsein, die erkennen, daß ihr Bewußtsein ewig ist, schon während
sie auf dieser Erde leben, schon während sie ihren materiellen Körper
erfahren, - und die mit völliger Sicherheit wissen, daß sie, sobald sie
ihren Materiekörper ablegen, nicht wieder erneut in einer weiteren
einengenden Gestalt geboren werden.
Die, die diese Erweckung nicht erfahren, – die nicht 'auferstehen', denen ihre Einheit mit dem Allesdurchdringenden Bewußtsein auf dieser Erde, in ihrem gegenwärtigen Körper nicht bewußt wird, – werden erneut weitere einengende Körper und Umstände erfahren.
Jesus der Botschafter macht im 'Evangelium des Phillippus' deutlich, daß Auferstehung kein zukünftiges Ereignis ist:
'Die, die sagen: zuerst stirbt man, dann ersteht man auf, irren. Wenn
man nicht zuerst, noch zu Lebzeiten, die Auferstehung gewinnt, wird man
im Tode nichts gewinnen.'
Im Evangelium des Thomas wird er gefragt, 'Wann wird die Ruhe (die Auferstehung) der Toten eintreten und wann wird die neue Welt kommen?'
Und er antwortet, 'Was ihr erwartet ist doch schon gekommen, aber ihr erkennt es nicht.'
- Auferstehung und die neue Welt sind hier und jetzt unmittelbar vor
unseren Augen, doch die, die diese Frage stellten, konnten es nicht
sehen.
| Außer 'Auferstehung' wurden noch viele weitere Ideen grundlegend verfälscht:
- 'Erlösung' – die Vorstellung, daß Gott oder eine höhere Kraft außerhalb unseres Selbst die Menschheit vor 'ewiger Verdammnis' 'rettet', –
- statt daß jeder Mensch – inspiriert und selbstgesteuert das Große
Bewußtsein, das er nie wirklich verloren hat, in sich findet.
- 'Die Investitur von Priestern' geschult im smarten Reden und formalen Zeremonien, -
– statt Inspiration von denen zu erhalten, die das Erhabene Bewußtsein
direkt erfahren und daher in anderen die gleiche Wahrnehmung auslösen
können.
- 'Die Erfindung von Sünde' – die es in der Natur nicht gibt; - noch gibt es deren Gefährten Reue, Beichte, Sühne. -
- Nichts davon läßt uns wachsen, expandieren, edler werden, - oder das
Alldurchdringende Bewußtsein erkennen. Sünde richtet unsere
Aufmerksamkeit nur immer auf die Vergangenheit aus, - auf längst
verflossene, imaginäre 'Fehler', die Leute mit recht finsteren
Absichten erfunden haben.
- 'Der Fokus auf Glauben'
– ein erbärmlicher Ersatz für das direkte Erfahren des Fantastischen,
des Außergewöhnlichen, der Ekstase des Erhabenen Bewußtseins.
- 'Der Fokus auf Gebete' an 'höhere' Kräfte außerhalb unser selbst -
– statt unsere eigenen, immensen, kreativen Kräfte zu erwecken.
- 'Die Verklärung unterwürfigen, "guten" Benehmens' –
- statt von Inspiration, Expansion und dem Edlen tief in uns geleitet
zu werden, - statt diejenigen zu hinterfragen, die uns aus kleinlichem
persönlichen Interesse Angepaßtheit, Enge und Förmlichkeit aufzwingen
wollen, - statt ihnen klarzumachen, daß sie in unserem Leben nichts
verloren haben.
Und dies sind nur einige wenige Beispiele der Verzerrungen.
| Nun mögen einige einwenden, daß der alte Text doch Gnostik beschreibt. – Ich stimme mit dieser Ansicht jedoch nicht überein.
Ursprünglich war ein 'Gnostiker' (ein 'Wissender'
auf Griechisch) jemand mit speziellem, außerordentlichem Wissen, der
das Große Bewußtsein direkt wahrnahm, und wußte, daß diese Wahrnehmung
auch allen anderen Menschen jederzeit zugänglich ist.
Im zweiten Jahrhundert n. Chr. jedoch wurde 'Gnostizismus'
zu einer künstlichen Klassifikation, zu einem bloßen Etikett, das die
orthodoxe, konservative Fraktion dazu benutzte die expansive,
ekstatische Gemeinschaft derer, die von der ursprünglichen Botschaft
Jesu inspiriert war, einzuordnen, - um sie zerstören zu können.
Gnostik – so wie sie heute definiert wird, - ist nur ein vages, mattes
Abbild dessen, was sie ursprünglich war. Der Grund dafür ist leicht
gefunden: - Die einzige Information, die wir – abgesehen von den Nag
Hammadi Schriftrollen - über die Gnostik haben, stammt ausschließlich
aus Dokumenten derer, die diese Richtung faktisch auslöschten
(Irenaeus, Tertullian etc.). Für wie zuverlässig hielten wir denn
Informationen über eine Widerstandsbewegung gegen einen Diktator, die
nur auf Dokumenten derer basiert, die diese Bewegung ausrotteten.
Nein, dieser Text beschreibt nicht einen leblosen, von Schriftgelehrten
kaputtinterpretierten, fußnotengespikten Gnostizismus, dieser Text
vermittelt uns eine begeisterte, lange vergessene Botschaft, die der
Menschheit neue, ungeahnt fantastische Dimensionen öffnet.
| Nun, - statt zu versuchen Informationen 'wiederzuerwecken', die seit
langem schon so sehr entstellt sind, daß sie kaum mehr verstanden
werden können, lohnt es sich vielleicht herauszufinden, ob andere
Kulturen ebenfalls Botschaften dieser Art bieten, möglicherweise
klarer, weniger verzerrt, mit mehr Informationen, wie wir die höheren
Dimensionen in unserem Inneren gezielt und systematisch entfalten und
erfahren können.
Die Geschichte, wie ich eine solche Schrift entdeckte – überhaupt der
erste Text dieses Typs, den ich fand – ist wert erzählt zu werden, -
speziell da der Prozeß, durch den ich darauf stieß, bizarr ist, drei
Jahrzehnte umspannt und sich logischer Erklärung versagt.
| Es war zu der Zeit, in der es kaum mehr als fünfzehn ernsthafte
'spirituelle' Bücher zu kaufen gab; eine Zeit, in der ein einziger
Buchladen der Stadt ein einziges schmales Regal besaß, das in hinteren
Bereichen des Shops versteckt war, in dem Lao Tse's 'Tao Te King', Seneca, Yogananda's 'Autobiographie eines Yogi', Govinda's 'Weg der weißen Wolken'
etc. standen. War man mit diesen fünfzehn Werken durch, gab es nichts
Weiteres zu lesen, mußte man anderswo aufwendig nach neuen
Informationen suchen.
Selbstverständlich war uns bekannt,
daß altindische Schriften existierten, doch war dies ein riesiger
Komplex verwirrender archaischer Überlieferung scheinbar ohne jede
erkennbare Struktur. Und selbst wenn wir wußten, daß ein bestimmtes
Buch existierte, war es oft unerhältlich, viel zu teuer, nur im
ursprünglichen Sanskrit, Pali oder Prakrit gedruckt, oder von Gelehrten
übersetzt, die den Inhalt vollends unverständlich machten.
Klar, - heute ist eine Viertelmillion 'spiritueller' Bücher auf dem
Markt, - die nach meiner Erfahrung jedoch nicht über den Inhalt dieser
ersten fünfzehn 'spirituellen' Werke hinausgehen. – Oder – sarkastisch
ausgedrückt – in den Worten Johann Wolfgang von Goethes: 'Getretener Quark wird breit, nicht stark.'
Zu dieser Zeit – ich war zweiundzwanzig Jahre alt – borgte ich mir ein
Buch, an dessen Titel ich mich nicht mehr erinnere, in dem jedoch eine
1200 Jahre alte Originalschrift abgedruckt war, - ein Text der mich
hochgradig faszinierte, aber so rätselhaft war, daß ich damals nichts
davon verstand.
Statt die Schrift nun einfach zu ignorieren,
was mir bei Werken von Gurdijeff, Blavatsky, Rudolf Steiner und einer
Reihe weiterer Autoren äußerst leicht fiel, machte ich etwas, das ich
nie zuvor getan hatte: Ich kopierte den Text. Copyshops gab es damals
noch nicht, und so erforderte dies einen umständlichen Trip zu der
Firma des Vaters einer Freundin, um es zu erledigen.
Ich
steckte die 12 kopierten Blätter in einen Umschlag, den ich in ein Buch
tat, von dem ich wußte, daß ich es nie verleihen oder verschenken
würde, da der – bekannte – Autor mir eine ausführliche Widmung
hineingeschrieben hatte.
Dieses Buch – mit dem Umschlag, den
ich bald vergaß – begleitete mich auf vielen meiner Reisen der nächsten
drei Jahrzehnte. In Kartons gestopft besuchte es drei Kontinente, stand
auf improvisierten Borden in höchst temporären Unterkünften, war auf
Dachböden und in Kellern von Freunden verstaut, entkam dabei einmal nur
knapp einer Flut, - während die ganze Zeit über der Umschlag darin
verborgen war.
Dann kam der Tag, an dem ich eine
Information suchte, von der ich – irrtümlich – glaubte, daß das Buch
sie enthielt, nahm es vom Bord, - und der Umschlag fiel raus.
Wie ein Weihnachtsgeschenk außer der Zeit nahm ich die Seiten auf und
las sie in völligem Staunen. Doch wo ich zuvor nur verwirrend
unverständliche Worte sehen konnte, verstand ich jetzt die
eindringliche, tiefgehende Botschaft, die der Text übermittelte: - in
großer Ausführlichkeit beschrieb er etwas, das weit berühmtere und
bekanntere Texte niemals auch nur erwähnt hatten, - er beschrieb, wie
wir Zugang zu einem umfassenden Bewußtsein erhalten, das der
manifestierten Welt und dem Unmanifestierten zugrundeliegt.
Auf diese Weise entdeckte ich das 'Tibetische Buch der großen Befreiung'.
| Eine Botschaft, die 1200 Jahre unterwegs war, erreicht ihre Bestimmung | [Zur Übersicht] |
Doch Lesen und intellektuelles Verstehen des Buches war nicht das
eigentliche Ereignis, das den Vorgang so erstaunlich werden ließ.
Während des ganzen Monats, der meiner 'Entdeckung' folge, arbeitete
etwas in mir, ein vages Gespür, eine verschwommene Ahnung, die gerade
außerhalb meiner bewußten Wahrnehmung zu schweben schien. Ich fühlte,
als ob ich begann dort etwas zu sehen, wo zuvor nichts zu sein schien.
Und dann – fast genau einen Monat nachdem ich den verborgenen Umschlag
fand – dehnte mein Geist sich plötzlich auf das aus, was Padma-Sambhava
beschrieben hatte: - die direkte Wahrnehmung des Großen, Erhabenen
Bewußtseins.
Wie es weitergeht, ist bereits bekannt, - es ist die Geschichte am Anfang dieses Buches.
Was ich im Folgenden präsentiere, ist der Text, der diese Wahrnehmung in mir auslöste, - 'Das tibetische Buch der großen Befreiung'.
Aber auch hier war es nötig, die alte Schrift in zeitgemäßer Sprache
darzustellen und Spezialbegriffe in Worte des täglichen Lebens
umzusetzen. Ohne diese Übertragung würde sich der Text nur dem öffnen,
der sich mit hinduistischer, jaina, buddhistischer und tibetanischer
Philosophie auskennt, etwas über die entsprechende Geschichtsperiode
weiß und ein wenig Einblick in Sanskrit hat. Wer die originale
Übersetzung von Evans-Wentz lesen möchte, kann sie sich leicht aus dem
Internet holen.
Es war eine Freude, das Buch in
zeitgemäße Sprache zu übertragen. Die eindringliche, stakkato-ähnliche
Darstellung der Ideen, die unnachahmliche Art, in der Padma-Sambhava
seine Aussagen lawinenartig aufeinanderfolgen läßt, um in uns etwas zu
erwecken, das tief und fest schläft, - all dies ist erfrischend modern
und voller Kraft.
Mit Ironie und spitzem Humor versucht er
wachzurütteln. Mit Paradoxen und Widersprüchlichkeit hebelt er
eingefahrene Denkprozesse aus. Er provoziert und hinterfragt
hochangesehene, doch völlig ineffektive Handlungsläufe und
Glaubenssätze.
So, - enjoy the ride. – Sieh' es als eine
Botschaft, die aus der Zukunft kommt, - eine Botschaft, die dein
zukünftiges erwachtes Selbst in deine jetzige Gegenwart sendet, um
Kontakt mit dir aufzunehmen.
Möge dein Herz und Geist, möge dein ganzes Sein sich dieser grandiosen Weitung deines Selbst öffnen.
Weiter mit: - Das tibetische Buch
Author: Hermann Kuhn Buch: 'Wo NICHTS zu sein scheint'
ISBN: 978-3-9811466-0-8 Copyright 2009 Crosswind Publishing, Wunstorf, Germany
Als pdf-Datei verfügbar in DOWNLOADS
www.wo-nichts-zu-sein-scheint.de
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