Yoga Sutren des Patanjali

 

 

Buch I - Sutren  42  bis  51

 

Buch III - Sutren  1  bis  5



Dieser Abschnitt präsentiert zwei ausgewählte Passagen der Yoga Sutren des Patanjali, die Einblick vermitteln, wie Meditation funktioniert.


    Die meisten Experten stimmen überein, daß diese Schrift eine Sammlung mehrerer Texte ist, die in 300+ Jahren von ca. 200 v. Chr. an entstanden. Patanjali wird als Autor der Schrift genannt, doch vermutlich trug er nur einzelne Texte zu einem Werk zusammen.


    Meine Übersetzung berücksichtigt die Unterschiede in der Ausdrucksweise zwischen der Periode, in denen die Sutren entstanden, und der heutigen Zeit.

    Sie holt die praktischen Instruktionen der Sutren in den Vordergrund.

    Da ich den Text nicht vornehmlich als philosophisches Werk interpretiere, sehen Gelehrte meine Übersetzung als kontrovers an.

    Die Darstellung in moderner Sprache nimmt dem Original jedoch nichts von seiner Wirkung.


 

 

 

Ein kurzer Ausflug in archaisches Yoga

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Wir kennen Yoga hauptsächlich als System sanfter indischer Übungen, die Körper und Geist ins Gleichgewicht bringen sollen. Doch diese Übungen machen nur einen winzigen Teil einer uralten Schrift aus, die weit mächtigere Instruktionen enthält.


    Unser gegenwärtiger, fast ausschließlicher Fokus auf 'Yoga-Stellungen' geht auf ein einziges Element (asana) der Schrift zurück, das das Positionieren des Körpers zur Vorbereitung und während der Meditation beschreibt. Die mit diesem Element assoziierten Übungen weiteten sich zu dem, was wir im Westen heute unter Yoga verstehen.


    Der gesamte Rest - und das ist erheblich mehr - ist so gut wie unbekannt.

 

 

 

Ein uraltes Handbuch für Meditation

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Die Yoga Sutren werden als eins der sechs klassischen Systeme hinduistischer Philosophie angesehen.


    Doch wenn man anfängt zu lesen, merkt man schnell, daß das Werk mehr dem Handbuch eines Trainingsseminars ähnelt, als einer philosophischen Schrift: - Die Sutren präsentieren fast ausschließlich ausführliche praktische Anweisungen, wie Meditation funktioniert, und wie wir optimale Ergebnisse damit erzielen.


 Die Instruktionen sind so klar und eindeutig, daß man sie eigentlich nur ausprobieren braucht, ohne weitere Anweisungen nötig zu haben.




Doch brauchen wir dazu nicht einen Guru ?


Meditation wird heutzutage hauptsächlich zum Abbau von Spannungen eingesetzt. Sie soll Menschen Ruhe bringen, die von ihren Jobs oder vom Leben im allgemeinen gestreßt sind. Solche Entspannungstechniken sind leicht zu erlernen und werden meist auf nicht-esoterische, praktische Art weitergegeben.


    Auf inneres Wachstum gerichtete Meditation jedoch ist von Geheimnis umwittert. Hier wird stillschweigend vorausgesetzt, daß - wenn die Technik von einem mystischen Guru mit Draht zum Übernatürlichen vermittelt wird, - die Versenkung weit tiefere Wirkung zeigt.


    Doch gerade das Geheime, das derartige Instruktion umschwebt, ist Anzeichen eines grundlegenden, entscheidenden Problems.


    Geheimhaltung wird immer nur eingesetzt, um zu verschleiern, daß kein echtes Wissen vorhanden ist, - daß der mystische Lehrer, der erhabene Guru, kein echtes Verstehen hat, - und möglicherweise auch, daß sich dahinter noch eine weit finsterere Strategie verbirgt.


    Ich weiß, ich weiß, - er oder sie sieht heilig aus, hat enorm viel Charisma, und eine Ausstrahlung, die nur als überirdisch bezeichnet werden kann. Doch, - wenn er oder sie wirklich Einblick hat, - warum errichtet er oder sie dann künstliche Barrieren - Geheimhaltung - im Prozeß der Weitung des Bewußtseins?


    Zu welchem Wissen wir Zugang haben, hängt ausschließlich davon ab, wieweit wir selbst uns der unendlichen Quelle der Weisheit öffnen, die jeder in sich trägt.


    Wissen, das  in uns  noch von Vorurteilen, Irrtum oder falschen Vorstellungen blockiert wird, erschließt sich uns nicht. Auch wenn es uns in allen Details präsentiert wird, sind wir nicht fähig es zu verstehen.


    Zugang zu höherem Wissen erhalten wir in dem Maße, in dem wir Energie in das Auflösen unserer eigenen, individuellen Blockaden (Stolz, Starrheit etc.) investieren.

    Daher ist das geweitete Bewußtsein und wahre Verstehen, das wir erfahren nachdem wir diese inneren Blockaden neutralisiert haben, immer das Ergebnis unser ganz eigenen Anstrengungen und Intentionen.



    Diese innere Weitung kann nie durch Geben oder Zurückhalten formaler Informationen gesteuert werden.



    Bindung an einen Guru, eine bestimmte Technik, eine Hierarchie der Geheimnisse, oder eine soziale Gruppe, die dies als Lebensinhalt ansieht, sind nur weitere Hindernisse auf unserem Weg zu größerer Freiheit, - zusätzliche Hindernisse, die wir in jedem Fall erst auflösen
müssen, bevor wir weiterkommen können.


    Es lohnt sich, derartige 'Mechanismen des Geheimen' zu beachten, um nicht von unterschwelliger, völlig überflüssiger Manipulation eingefangen zu werden.



    Meditation, so wie die Upanishaden und Yoga Sutren sie beschreiben, ist weder mystisch, noch kompliziert. Wir erweitern und vertiefen nur Fähigkeiten, die wir schon jetzt kennen. Wir brauchen dazu auch keine Hilfe von außen. Wir müssen nur verstehen, wie in uns diese Mechanismen funktionieren, und sie auf höhere Sicht ausrichten.


    Fragen, die während der Praxis auftauchen mögen, beantworten die, die den gleichen Weg gehen und die die Lösung aus eigener Erfahrung kennen. Diese Gemeinschaft kann im Internet kontaktet werden (siehe 'Was tun … ?' am Ende dieses Buches).



    Umgangssprachlich dargestellt besagt 'Yoga Sutren' -



Anweisungen

wie wir unsere jetzige Existenz

mit dem Ursprung verbinden



    Ich ziehe es jedoch vor, die ausgewählten Passagen nach ihrem konkreten Ziel zu benennen -




Wahrnehmen

des

Großen Selbst



durch

Meditation




 

Sutra 42 - Yoga Sutren - Buch I

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Meditation, die Klänge (Mantren), (geistige) Inhalte, oder (mentale) Vorstellungen von Objekten oder emotionalen Themen einsetzt, bindet uns an weiteres materielles Erfahren.


Die Sutra zeigt, welche Folgen das Meditieren (Visualisieren) auf begrenzte Themen hat.


    Meditation dieser Art richtet unseren Fokus - in subtiler Weise - auf weitere Interaktionen im Bereich der Materie, und verhindert damit jede echte Expansion.


    Klänge (Mantren), geistige Inhalte, wie auch Bilder materieller Objekte und emotionaler Themen sind fest in unserer gegenwärtig manifestierten Realität verankert. Wenn wir derart begrenzte Objekte visualisieren und Energie darauf richten, - so wie wir es während der Meditation tun, - binden wir unsere Sehnsüchte (oder Ängste) an genau diese begrenzte Region. Wir verstärken damit das Band zwischen uns und unserer jetzigen physischen Umgebung und verursachen so weitere (fortgesetzte) Interaktionen zwischen unserem Bewußtsein und der materiellen Wirklichkeit.


    Da Mantren in vielen Meditationssystemen eine zentrale Rolle spielen, beschreibt ein Abschnitt weiter unten, in welchem Bereich Mantren überhaupt funktionieren, welche Wirkungen sie hervorrufen, wo ihre Grenzen liegen, und auf welche Weise sie unsere Expansion behindern können.

 


 

Sutra 43

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Doch existiert ein Meditationstyp, der keine Bindung an weitere materielle Erfahrungen auslöst.

    Wenn wir während der Meditation unser Selbst (unsere Identität, - das, was wir als Ich ansehen) mehr und mehr von (ständigen) Erinnerungen an unsere physische Existenz lösen, erreichen wir einen Zustand,  in dem keine kleinlichen (begrenzten) Gedanken oder Emotionen das Weiten unseres Fokus während erleuchtender (höherer) Wahrnehmung stören.


Anfangs manifestiert sich dieser Zustand nur als vage Ahnung, als eine exquisite Subtilität, die wir in uns fühlen, während wir dieses Ziel anstreben.


    (Der zweite Abschnitt der Yoga Sutren beschreibt ausführlich, wie wir diese Subtilität in uns hervorrufen.)

 

 

 

Sutra 44

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Aus dieser (anfänglichen Empfindung) entsteht (dann) ein weit bewußteres und zielgerichteteres Erkunden unserer neuen Wahrnehmung, - die uns in der Folge immer höhere, feinere Einsicht erschließt.

    Diese beiden Meditationstypen - die entweder weitere Bindung an materielles Erleben hervorrufen (Sutra 42), oder dies nicht tun (Sutra 43) -  unterscheiden sich grundlegend (sind charakterisiert) durch die Subtilität unseres Fokus während des Vorgangs.


Wenn wir unsere innersten Gedanken und Emotionen auf immer feinere Bereiche richten, die jenseits der Bilder und Erinnerungen unserer materiellen Manifestationsform liegen, kommen wir umfassender (höherer) Sicht systematisch näher.

 

 

 

Sutra 45

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Der Fokus auf immer subtilere Aspekte dessen, was wir denken und fühlen, endet mit (kulminiert in) der Wahrnehmung des Unmanifestierten.


Das Unmanifestierte ist eine Art 'Wolke', die die physische Sphäre umgibt, auf die wir gerade Aufmerksamkeit richten. Es enthält Sehnsüchte (und Ängste), die wir noch nicht konfrontiert haben, und die sich in unserer Zukunft manifestieren werden.


    Bei der Vorstellung des Großen Selbst nannte ich diese Ebene noch nicht manifestierten Verlangens die 'Sehnsuchtsstruktur'.


    Je mehr unsere Wahrnehmung sich über die Ebenen der Sinne und des Geistes hinaus ausdehnt, desto mehr erkennen wir diese 'Wolke' unmanifestierter Sehnsüchte als eine riesige Domäne mit subtilen und mächtigen Strukturen, die ständig im Wandel begriffen ist, und enorme, auf Expansion gerichtete Energie besitzt.


    Wenn wir die Sehnsuchtsstruktur erst einmal in ihrer Gänze erkennen, wird uns klar, daß sie begrenzt ist, - und daß die immense Vielfalt, die wir in unserer gegenwärtig manifestierten Realität erfahren - alles, was wir denken, fühlen und tun - in dieser Struktur enthalten ist und von ihr umschlossen wird.


    Wir merken aber auch, daß unser Bewußtsein hier nicht endet. Was an den Grenzen der Struktur endet, ist (nur) der Teil unseres Bewußtseins, den wir auf die materielle Realität richten, und dem wir innerhalb dieser Realität Ausdruck verleihen.

 


 

Sutra 46

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Solange wir (während der Meditation und außerhalb davon) unseren Fokus in den Grenzen des Unmanifestierten halten, wachsen wir nicht darüber hinaus.


Um die Großartigkeit unbegrenzten Bewußtseins real erfahren zu können, müssen wir aus den Grenzen der Sehnsuchtsstruktur ausbrechen. Nur jenseits dieser 'Wolke begrenzter Sehnsüchte und Ängste' fangen wir an, die wahre, unbegrenzte Majestät unseres Bewußtseins zu erkennen. Das Erleben dieser Weitung unserer Perspektive läßt immense Energie in unser Sein fließen.

 

 

 

Sutra 47

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Sobald wir die Grenzen des Unmanifestierten überschritten haben (sobald wir unsere Anhaftung an materielle Objekte und deren Erinnerung hinter uns gelassen haben), - wird unsere Wahrnehmung reiner. Wir werden fähig höhere Ebenen zu erkennen, und unsere Wahrnehmung des Großen Selbst (in den Yoga Sutren adyatma genannt) wird immer intensiver.

 

 

Sutra 48

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Diese (zunehmende Reinheit) läßt uns einen speziellen Zustand – ritambhara ('die Macht des Wahren') - erfahren. In diesem Zustand erkennen wir die wahre Natur der Realität und ihren unablässigen Drang (Fluß) nach Expansion.

Die Erfahrung von ritambhara - der 'Macht des Wahren' (erneuert) stellt unsere bewußte Verbindung zu diesem ewig expansiven Fluß wieder her.


    Ritambhara ist faktisch die Verlagerung unseres Bewußtseins auf die Ebene der Wahrheit.

Jenseits des Geistes ist Wahrheit
(ist Erkenntnis der Wahrheit).

Katha Upanishad II.3.7-8

 

    Wir erfahren diesen besonderen Zustand als eine Art 'Raum', in dem kein begrenzter Gedanke und keine einengenden Sehnsüchte oder Ängste uns stören.


    Ritambhara fühlt sich anfangs wie ein zerbrechliches Gleichgewicht an, in dem wir einfach nur  sind, - wo unsere Sinne und der Geist keine Impulse (physischen Ursprungs) mehr an unser Bewußtsein ausgeben, - und wo wir doch eine Lebendigkeit und Wachheit erfahren, die weit intensiver ist als jegliche Sinneswahrnehmung und jeder materiegebundene Gedanke.


    Dieser Zustand trägt großes Kraftpotential in sich. Was wir visualisieren, während wir ihn erfahren, hat ausreichend Macht sich in unserem Leben zu manifestieren.

 


 

Sutra 49

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Dieses spezielle Erlebnis ist so spürbar anders als alles, was wir zuvor erfahren haben, daß wir es leicht von jedem anderen Einblick unterscheiden können, den wir z.B. durch Lesen von Schriften, verbale Instruktion oder durch Nachdenken erhalten.

 

 

Sutra 50

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Diese Erfahrung löst alle Bindungen, die uns (unser
Bewußtsein) an unsere materielle Existenz koppeln; -
und (neutralisiert) auch all unsere latenten Sehnsüchte
und Ängste, die sich gegenwärtig nicht manifestieren.

 

 

Sutra 51

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Und wenn selbst diese(r Vorgang der) Auflösung geendet hat, endet auch unser restriktiver, intensiver und exklusiver Fokus auf materie-bezogene Objekte und Inhalte (die gegenwärtig unsere Wahrnehmung erheblich einengen).

    Nun sind wir fähig, das (immense Universum) wahrzunehmen, das jenseits aller materiellen Objekte existiert.



    Hier endet das erste Buch der Yoga Sutren, -

- das die Grundmechanismen der Meditation präsentiert, - und erklärt, wie sich Bewußtsein über die Sphäre physischer Manifestation hinaus ausdehnen läßt.

 

 

 


 

Und tiefere Anweisungen

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Buch III der Yoga Sutren  bietet uns weiteren und tieferen Einblick:


Drei Komponenten müssen zusammenkommen, damit Meditation ihre höchstmögliche Wirkung entfalten kann: -


(1)
Gedanken (und Emotionen) ausschließlich
in  eine  Richtung zu lenken, ist 'Ausrichten' (des Bewußtseins).


(Sanskrit: 'dharana').


(2)
Wenn wir in diesem Zustand des 'Ausrichtens'
unsere Gedanken (und Emotionen zielgerichtet
und fokussiert) steuern, - dann ist der
kontinuierliche  Fluß unserer Gedanken
'Meditation'.

(Sanskrit: 'dhyana').




(3)
Wenn das Objekt (oder Thema), auf das
derartige 'Meditation' gerichtet ist,
ausschließlich und ungestört von anderen
Gedanken in unserem Geist präsent ist,

- und unsere gesamte Aufmerksamkeit
so intensiv einnimmt, daß wir (praktisch)
mit dem Objekt 'verschmelzen',

- dann ist dies 'höchste Sammlung'.

(Sanskrit: 'samadhi').

 

(4)
Werden diese drei Komponenten

    - 'Ausrichten (von Gedanken und Emotionen)'

    - 'Meditation' und

    - 'höchste Sammlung'

gleichzeitig auf  ein  Objekt gerichtet,
ist dies 'Steuern (des Geistes)'

(Sanskrit: 'samyama').


(5)
Sobald wir dies gemeistert haben, steigt
in uns das Licht des Wissens auf.

Yoga Sutren - Buch III, 1-5



 

Ausrichten (des Bewußtseins) - dharana

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Ausrichten von Gedanken und Gefühlen wie es die Sutra beschreibt, ist nicht das, was wir im allgemeinen unter 'Konzentration' verstehen.


    Konzentration - so wie wir es aus dem täglichen Leben kennen, - erfordert Anstrengung, um unseren Fokus auf das gewählte Objekt gerichtet zu halten. Anstrengung jeder Art blockiert jedoch grundlegend das Aufsteigen von ritambara, - und verhindert damit, daß wir 'die Macht des Wahren' (Sutra 48 - Yoga Sutren - Buch I) überhaupt erleben.


    Auch während wir die Ebene der Wahrheit wahrnehmen, ist diese Erfahrung anfangs so zart und instabil, daß jede Art Anstrengung den Einblick sofort unterbricht.



    Herkömmliche Konzentration richtet unsere Energie auf einen speziellen Punkt unserer Realität aus.


    Im Gegensatz dazu ist das 'Ausrichten der Gedanken' wie die Sutra es beschreibt,  kein  Bündeln  unseres Fokus. Stattdessen lassen wir unsere Aufmerksamkeit leicht auf dem gewählten Thema ruhen, und erlauben unserem Geist sich völlig natürlich auf tiefere, unbekannte Aspekte und Merkmale des Themas auszudehnen. Es ist eine Art Akzeptieren, Assimilieren, ein souveränes, anstrengungsloses Integrieren dessen, was am Rand unseres Fokus existiert, - eine Art 'peripheres Sehen' an der Grenze dessen, was das Spotlight unserer Aufmerksamkeit beleuchtet.

 


 

Meditation - dhyana

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Meditation ist das kontinuierliche Ausrichten unserer Gedanken und Emotionen.


    Diese Kontinuität erreichen wir, indem wir unser Bewußtsein trainieren, auf das von uns gewählte Thema oder Objekt gerichtet zu bleiben. Das bedeutet, während der Meditation Gedanken bewußt loszulassen, die keine Beziehung zu dem Thema haben, auf das wir fokussieren wollen.


    Die Entscheidung sollte ohne jede Anstrengung geschehen, und einfach darin bestehen, dem von uns gewählten Thema Vorrang zu geben.


    Die stimulierende, feine Energie, die von der Ebene der Wahrheit in unser Sein fließt, - die immer tieferen Bereiche des von uns gewählten Themas, die wir entdecken, - all dies ist weit attraktiver als andere Objekte, die in unsere Gedanken hineindriften mögen.


    Dieser Strom subtiler Energie verankert uns immer stärker in der Ebene der Wahrheit. Anfangs sind unsere Momente des Einblicks kurz, doch je mehr wir dies praktizieren, desto klarer und stabiler nehmen wir diese Region wahr.


    Wir 'trainieren' unsere Wahrnehmung jedoch nicht so, wie wir in einem Fitneß-Studio Muskeln aufbauen würden. Es ist eher ein gelassenes Wiederholen der Übung ohne jede Anstrengung, sodaß wir kontinuierlich vertrauter damit werden wie unser Bewußtsein sich anfühlt, wenn es in unbekannte, subtilere Regionen expandiert.


    Wieviel Zeit nötig ist diesen Zustand zu stabilisieren, ist bei jedem unterschiedlich. Ausdauer beschleunigt den Vorgang erheblich. Generell braucht es drei bis sechs Monate, bis wir diese spezielle Erfahrung während der Meditation bewußt hervorrufen können. Dies ist aber auch abhängig von der Intensität und Intention, mit der wir in den Zustand hineingehen.



Wie auf Unterbrechungen reagieren?

Sollten Gedanken (an andere Themen) unsere Meditation stören, bekräftigen wir in uns, daß wir nur das eine, gewählte Thema meditativ erkunden wollten, und steuern unseren Fokus immer wieder bewußt dorthin zurück.


    Irritierende Gedanken, die hartnäckig und beharrlich die Meditation unterbrechen, lenken uns nie durch deren Inhalt ab, sondern durch die intensiven Gefühle, die mit den störenden Gedanken einhergehen.


    Wenn wir in dieser Situation versuchen mit der 'Macht unseres Geistes' unsere 'starken Emotionen' in direkter Konfrontation zu bekämpfen, funktioniert dies nicht. Es wird uns nicht gelingen die intensive Störung 'wegzumeditieren'.


    Diese Art Ablenkung hat ihren Ursprung immer in den 'unteren' Ebenen (Sinne, Geist). Ein derartiger 'Kampf' richtet unseren Fokus daher auf genau die Ebenen, die wir doch hinter uns lassen wollten, - und verhindert damit, daß wir die weit subtilere Ebene der Wahrheit wieder erreichen.


    Erfolg bringt eine völlig andere Strategie: - Wir bleiben einfach sitzen und halten die Augen geschlossen, doch hören auf unsere Gedanken ausrichten zu wollen.


    Wir lassen nun zu, daß unsere Aufmerksamkeit zu der körperlichen Empfindung hinwandert, die jeden starken emotionalen Ausbruch begleitet. Die körperliche Empfindung manifestiert sich gewöhnlich als eine Art 'rohes' Gefühl in der Region des Solar Plexus, kann aber auch in anderen Bereichen des Körpers auftreten.


    Das 'Hinwandern' unseres Fokus zur physischen Region, in der das 'rohe' Gefühl auftritt, geschieht automatisch, - so wie auch Schmerz unseren Fokus auf sich zieht, ohne daß wir dazu etwas tun müßten.


    Wir lassen unsere Aufmerksamkeit diese 'rohe' körperliche Empfindung anstrengungslos solange wahrnehmen, bis der emotionale Sturm abgeflaut ist. Dies geschieht gewöhnlich innerhalb weniger Minuten. Sobald dann in uns (neue) Gedanken aufsteigen, die mit den früheren starken Emotionen nichts mehr zu tun haben, können wir die Meditation fortsetzen, indem wir einfach unserem gewählten Meditationsthema wieder Vorrang geben.



    Hilfreich ist auch, störende Themen außerhalb und vor der Meditation abzustellen, sodaß etwaige starke Emotionen, die ein spezielles Thema begleiten, schon im Vorwege neutralisiert werden.

'… so sollten wir unser Leben (unser Haus) in Ordnung
bringen, damit Ruhe darin einkehrt und wir unsere
Identität mit dem Erhabenen Großen besser erkennen
können.'

- Evangelium der Wahrheit (18) -

 


 

Höchste Sammlung - samadhi

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Samadhi wird in der heutigen Zeit oft mit 'Erleuchtung' gleichgesetzt. Es gibt jedoch mehrere Arten von samadhi-Erfahrungen, die in unterschiedlich hohe Wahrnehmungsebenen hineinreichen und sich erheblich voneinander unterscheiden.


    [ In nirvikalpa samadhi - der höchsten Form - verschmilzt das Bewußtsein vollständig mit dem Großen Selbst, während in savikalpa samadhi noch Unterschiede zwischen Brahman und dem Erfahrenden bestehen.


    Andere Arten des samadhi wiederum werden von der emotionalen Intensität und der inneren Motivation beeinflußt, mit der die Meditation betrieben wird. ]



    Samadhi wie die Yoga Sutren es hier beschreiben, erfahren wir, wenn wir - während der Meditation - einen Zustand tiefer Identität mit dem Thema erreichen, auf das wir fokussieren -

    '… und unsere ganze Aufmerksamkeit so intensiv einnimmt, daß wir (praktisch) mit dem Objekt 'verschmelzen'


    Das heißt nicht, daß wir dadurch 'erleuchtet' werden, oder unser Ich in etwas aufgeht, das so viel größer ist, als wir es jetzt sind. Es heißt einfach, daß unser Bewußtsein sich auf das gewählte Objekt oder Thema ausdehnt und es in unser Sein integriert.


    Durch Praxis wird dieses 'Verschmelzen' tiefer, sodaß das Thema, das wir meditativ 'visualisieren' mit all seinen Aspekten klar in unserem Bewußtsein erscheint. Wir nehmen nun auch weit mehr und weit subtilere Einzelheiten dieses Themas auf als außerhalb der Meditation.


    Wir können leicht erkennen, ob wir Höchste Sammlung - samadhi - erreicht haben: - Sobald wir diese Tiefe der Meditation erreichen, fühlen wir uns weit weg von aller Geschäftigkeit des täglichen Lebens. Inspirierende, feine Energie, Vitalität, Enthusiasmus und Faszination fließen in unser Sein, - und diese Energien bleiben bei uns, noch lange nachdem die Meditation beendet ist.


    Außerhalb der Meditation merken wir dies als größere Klarheit unseres Geistes. Unsere Emotionen sind intensiver und positiver. In uns öffnen sich Einblicke in Bereiche des Lebens, die uns zuvor völlig unbekannt waren. Unsere Sicht auf die Ziele unseres Lebens ist nun weit souveräner. Wir beginnen einen tieferen Sinn darin zu erahnen und erfahren noch viele andere Weitungen, die sich hier nicht alle aufführen lassen.


    Tiefe Sammlung - samadhi - dieser Art kann, - muß aber nicht - von einer intensiven inneren (3D) Vision dessen, worauf wir meditieren, begleitet werden.



    Letztendlich bedeutet samadhi, in dieser Weise auf unser Großes Selbst zu meditieren, sodaß sich unser gesamter Fokus auf die wahre Majestät unseres Bewußtseins ausdehnt. Diese spezielle Ausrichtung der Meditation beschreiben wiederum die Upanishaden in aller Ausführlichkeit.

 


 

Steuern (des Geistes) - samyama

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Wenn wir diese drei Komponenten - Ausrichten unseres
Bewußtseins - Meditation - Samadhi - gleichzeitig
ausführen,
ist dies 'Steuern unseres Geistes'.



    Dieses Steuern beschränkt sich jedoch nicht auf die Meditation allein. samyama dehnt sich mit der Zeit auf unsere gesamte Existenz aus, - auf den Teil, der innerhalb physischer Grenzen manifestiert ist, - und außerhalb davon.


    Und ein spezieller Rat: - Nimm dir hinreichend Zeit ritambhara - 'Die Macht des Wahren'  stabil  zu erfahren. Finde eingehend heraus, wie sich diese neue Fähigkeit deines Bewußtseins anfühlt. Sei dir bewußt, daß du gerade dabei bist, einen subtilen Mechanismus deines Bewußtseins zu aktivieren, der keine Entsprechung in der materiellen Welt hat.

 

 

 

Das Licht des Wissens - prajna

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Dunkelheit ist eine Eigenschaft der Sehnsuchtsstruktur, die nicht über deren Grenzen hinausreicht. Öffnet sich unser Bewußtsein erst einmal den Dimensionen außerhalb dieser begrenzten Sphäre, nehmen wir dort, wo zuvor alles schwarz war, ein unwiderstehliches blaues Leuchten wahr, das sich in wachsender Intensität bis in den weiten Horizont erstreckt.


    Unendliche Erfüllung steigt in uns auf, da wir uns tiefer und tiefer ins Zentrum dieses subtilen Lichts hineinbewegen. Es enthüllt sich uns nun eine brillante innere Klarheit, von der wir jetzt wissen, daß wir sie nie wirklich verloren haben.


    '… damit ihr - Kinder der Einsicht - wißt, daß oben (im Erhabenen) der Tag keine Nacht hat, - daß Licht dort ist, das nie verlöscht, und das vollkommen ist.'

- Das Evangelium der Wahrheit (26) -


    Was wir in diesem Zustand aufnehmen, bietet uns tiefstes Verstehen, warum wir wirklich unsere gegenwärtige materielle Existenz erleben. Und dieser weite Einblick verschafft uns einen unfehlbaren Kompaß, mit dem wir aus den verschachtelten Irrgärten des physischen Lebens herausfinden.



    In dieser Art zeigen die Yoga Sutren, wie wir unseren Geist weiten.


    Welche Inhalte wir während der Meditation visualisieren können, um diese höchste Wahrnehmung zu erreichen, beschreiben die Upanishaden ausführlich und in großer Klarheit. -



 


 

Weiter mit: - Upanishaden Fortsetzung


Author: Hermann Kuhn
Buch:   'Wo NICHTS zu sein scheint'

ISBN: 
978-3-9811466-0-8
Copyright 2009 Crosswind Publishing, Wunstorf, Germany

Als pdf-Datei verfügbar in DOWNLOADS

www.wo-nichts-zu-sein-scheint.de